Ortsbürgermeister verhindert zum dritten Mal Betriebsnachfolge
Am Anfang stand die Suche nach mehr Platz für unsere Tiere und eine neue Heimat mit Entwicklungsmöglichkeiten. Vor knapp 16 Jahren sind wir – Uschi Braun und Christoph Kistner – aus dem
mittelbadischen Rheinmünster in die Südpfalz nach Rülzheim umgezogen. Im „Umzugswagen“ eine komplette Straußenfarm mit vielen Tieren, denen es im Badischen zu eng geworden war.
Die Suche nach mehr Platz dauerte im dicht bevölkerten Deutschland viele Jahre, bis uns 2004 der Germersheimer Landrat Dr. Fritz Brechtel einlud, doch einmal über den Standort Südpfalz
nachzudenken. An Fastnacht 2005 kamen wir zu einer Besichtigungstour – und wurden in Rülzheim fündig, wo das frühere Bildungs- und Freizeitzentrum des Landkreises Germersheim schon geraume Zeit
nach neuen Bewohnern Ausschau hielt.
Es folgten 22 arbeitsreiche Monate angefüllt mit vielen Planungen, ersten Aufbauarbeiten und einstimmigen Entscheidungen von Kreistag und Rülzheimer Gemeinderat, dass Deutschlands älteste
Straußenfarm in der Südpfalz ein neues, ausreichend großes Zuhause auf Dauer haben sollte. Am 16. Februar 2007 folgte dann der „Umzug ins Glück“, wie der SWR eine Fernsehdokumentation betitelt
hat. Und schon am Ende des ersten Rülzheimer Jahres waren viele Ziele erreicht und noch mehr Erwartungen übertroffen. Rund 80.000 Besucher waren gekommen, um die neue touristische Attraktion der
Südpfalz zu erleben.
In der Folgezeit steigen die Besucherzahlen auf 100.000 Gäste pro Jahr, aus ganz Deutschland und dem benachbarten europäischen Ausland. Dazu viele Wissenschaftler und Interessenten aus aller Welt
- denn in Rülzheim werden nicht nur erfolgreich Strauße mit - weltweit einmalig - DNA-Stammbaum gezüchtet. Im Ausbildungszentrum der deutschen Straußenzucht werden außerdem die künftigen
Tierhalter für ihre Arbeit fit gemacht – bisher rund 2.000 aus allen europäischen Ländern und der ganzen Welt. Die Farm gilt mittlerweile auch als wegweisendes Projekt für sanften Öko-Tourismus
und als Vorreiter einer artgerechten landwirtschaftlichen Nutztierhaltung und einer nachhaltigen Landwirtschaft, die keinerlei Düngemittel, Herbizide oder Pestizide einsetzt.
Vorgestellt wurde Mhou daher europaweit in ungezählten Pressepublikationen und Fernsehsendungen, was die Farm in der Folge zu einem regelrechten Touristenmagneten machte. Darüber hinaus ist sie
mit ihrem exotischen Park und der schönen Restaurant-Terrasse für die Menschen der Region eine beliebte ökologische Nah-Erholungsinsel, die ein Stück Urlaubsgefühl in unmittelbarer Nähe zum
ständigen Geschäftigkeitswahn und Alltagsstress bietet.
Und jetzt ist alles zu Ende: Die Strauße am Freizeitzentrum, die Rülzheim in den vergangenen 16 Jahren bundesweit bekannt gemacht haben, verlassen ihre Südpfälzer Heimat wieder. Nachdem die
Ortsgemeinde eine altersbedingte Nachfolge der Betriebsgründer Uschi Braun und Christoph Kistner zum dritten Mal platzen ließ, sehen wir, die Straußenfarmer, keine Alternative, als das
Unternehmen am Rülzheimer Freizeitzentrum aufzulösen und unsere Tiere zu verkaufen.
Eigentlich wollten wir, die das Renteneintrittsalter längst erreicht haben, uns schon seit fünf Jahren zur Ruhe setzen. Doch zunächst fehlte es an geeigneten Nachfolgern, die das anspruchsvolle
Unternehmen mit seinen Geschäftsbereichen Landwirtschaft, Direktvermarktung/ Handel, Öko-Tourismus und Gastronomie weiterführen wollten und konnten.
Doch wir haben sie gefunden. Bereits drei verschiedene Interessenten-Gruppen, die die Farm mit so viel Engagement und Herzblut wie wir selbst betreiben wollten, haben wir in monatelanger Arbeit
auf die neue Aufgabe vorbereitet. Immer auch waren Vertreter von Landkreis und Gemeinde mitbeteiligt, denn als Eigentümer der Flächen wurde deren Kooperation und Zustimmung zu Verträgen benötigt.
Doch jedes Mal, wenn der Zuschlag erfolgen sollte, stellte sich Ortsbürgermeister Reiner Hör quer. Die Folge: Jetzt sind die letzten Bewerber abgesprungen – also keine Betriebsübergabe.
Das Motiv des Bürgermeisters: Die Grundstücke, auf denen die Farm errichtet wurde, dürften als „Filetstück“ der Gemeinde nicht an Fremde verkauft werden, sondern müssten für die bauliche
Entwicklung der Gemeinde gesichert werden. Daher hat der Ortsgemeinderat beschlossen, das 2,1 Hektar große Gelände, auf dem Hofladen und Restaurant stehen, vom bisherigen Eigentümer Landkreis
Germersheim zu kaufen. Und „um eine bauliche Fehlentwicklung zu verhindern“, wurden den potenziellen Nachfolgern unerfüllbare Auflagen und eine utopische Pachtzahlung in den Weg gelegt, die eine
Finanzierung erforderlicher Investitionen und eine positive betriebswirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens unmöglich machen.
Vielleicht hat ja der Bürgermeister, der sich bei seinem Vorgehen auf die rheinland-pfälzische Gemeindeordnung beruft, diese nicht richtig gelesen. Dort steht nämlich in § 78, dass Gemeinden
Vermögensgegenstände nur erwerben sollen, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Das hoch verschuldete Rülzheim aber hat viel Geld für den Erwerb von Grundstücken ausgegeben,
die nach Ansicht übergeordneter Behörden nie bebaut werden dürfen und ohne Nachfolger der Farmer künftig nicht nur brach liegen, sondern auch keine Einkünfte bringen. Abgesehen davon, dass auch
Rülzheims touristische Zukunft verspielt ist.
Von der tiefen Enttäuschung bei Bewerbern, den bis zu 20 Mitarbeitern und uns, deren Lebenswerk durch kurzsichtige Kommunalpolitik zerstört wird, einmal ganz zu schweigen.